Etwas genauer habe ich mir den Freiburger “Beteiligungshaushalt” angesehen. Im Jahr 2008 sind dort in einem kombinierten On-und Offline-Prozess die BürgerInnen bei der Erstellung des Doppelbudgets 2009/2010 in einen Diskussionsprozess eingebunden worden.
Beachtung von Gender-Aspekten
Als erste Stadt in Deutschland stellte Freiburg (rund 220.000 EinwohnInnen) nicht nur Teilaspekte des – letztendlich vom Gemeinderat zu verabschiedenden – Doppelhaushalts zur Diskussion sondern den Gesamthaushalt.
Die Online-Konsultation wurde von einem Infobus, dezentralen Informationsveranstaltungen und einer Stadtkonferenz, an der 200 BürgerInnen teilnahmen begleitet. Darüber hinaus fand eine vier Monate dauernde Öffentlichkeitsarbeit (Flyer, Plakatierung, Straßenbahn- und Busbeklebung) statt. Auch Veranstaltungen zum Thema “Gender Budgeting” wurden angeboten. Neben der Vorbereitung der ehrenamtlichen Mentoren und Mentoren sowie städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurden zwei weitere Schulungen zur Vorbereitung der Teilnehmenden auf der Stadtkonferenz durchgeführt.
Kultur unter Druck
Vor dem Online-Konstitutionsprozess wurde eine schriftliche Umfrage zum Beteiligungshaushalt mit 5500 repräsentativ ausgewählten Personen durchgeführt. Es sollte unter anderem eine Wertung abgegeben werden an welchen Stellen Sie die Mittelverteilung im städtischen Haushalt verändern würden. Bei den Mehrausgaben präferierten die Befragten den Ausbau der Betreuungsangebote an Schulen, die Instandhaltung und den Bau von Schulen, Kindergärten und Kindertagesstätten, Jugendtreffpunkten und den Klimaschutz. Eingespart werden sollte nach Meinung der Befragten beim Theaterangebot, der Kulturförderung, den Friedhöfen, dem Wohnungsbau und bei Museen und dem Stadtarchiv. (Zusammenfassung der Ergebnisse)
Anzumerken ist jedoch, dass bei den Budgetverschiebungsvorschlägen mit dem Online-Rechner die in der Umfrage gewünschten Einsparungen im Kulturbereich nicht im selben Ausmaß erfolgten. Hier wurden zuerst Einsparungen bei Wirtschaft und Tourismus sowie bei den Friedhöfen und der Stadtentwicklung gefordert.
Auswirkung der BürgerInnenbeteiligung auf das Ergebnis schwierig nachvollziehbar
Einige Monate nach der Konsultation der Bevölkerung wurden die Ergebnisse im Hauptausschuss des Gemeinderats der Stadt im öffentlichen Teil vorgestellt und diskutiert. Anschließend wurde der Haushaltsplanentwurf in nicht öffentlicher Sitzung vorberaten. Aufbauend da-rauf haben die Fraktionen ihre Anträge formuliert. In der 2. Lesung hat der Hauptausschuss die Fraktionsanträge – Umverteilungen, Einsparungen oder Mehrausgaben – diskutiert und abgestimmt. Die Fraktionen hatten dabei die Möglichkeit, sich bei ihren Anträgen auf den Beteiligungshaushalt zu beziehen. In 26 Anträgen wurde dies umgesetzt.
Leider ist nicht transparent, welche Punkte aus der Bürgerbeteiligung tatsächlich in den Haushalt eingeflossen sind. „Eine Aufstellung dazu haben wir nicht gemacht”, teilte mir die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Freiburg gestern per Email mit. Daher bleibt es schwierig nachvollziehbar, welche konkreten Auswirkungen der Prozess hatte.
Die Gesamtkosten des Freiburger Beteiligungshaushalts beliefen sich auf 530.000 € von denen die Landesstiftung Baden-Württemberg mit 50.000 € übernahm.
Zukunft des Beteiligungshaushalts in Freiburg
Zum nächsten Doppelhaushalt wird es kein solches Verfahren mehr geben, weil es sich als zu aufwendig herausgestellt hat. Die Stadt wird sich auf eine Umfrage zu den Finanzen beschränken. Perspektivisch sollen die Beteiligungsverfahren auf Stadtteilebene gebündelt werden, um zu konkreteren Ergebnissen zu kommen.
Die grüne Stadträtin Birgit Woelki (in Freiburg haben die Grünen eine Mehrheit und stellen auch den Oberbürgermeister) bezeichnete das Verfahren in einer gemeinderätlichen Aussprache „als extrem schwierig und teuer.“ Es stelle sich die Frage nach Aufwand und Ertrag. Ihre Fraktion plädiere dafür, die Bevölkerung wieder ausführlich per Internet und Amtsblatt über den Haushalt zu informieren, die aktive Beteiligung jedoch auf eine Umfrage und ein Internetforum zu begrenzen. Diskussionen über die Ausgaben könnten im Zuge der Stadtteilentwicklungspläne stattfinden. Diese Position schloss sich auch die CDU an. Die SPD hingegen warnte davor den Beteiligungshaushalt „schon nach der ersten Runde zu beerdigen“, weil dann das Misstrauen ge-genüber der Verwaltung wachse. Die Linke Liste be-klagte, dass die Kostendebatte der „Tod der Bürgerbeteiligung” sei. (Siehe für weitere Details Amtsblatt der Stadt Freiburg vom Juli 2009 auf Seite 3.)
In den nächsten Tagen werde ich weitere Beispiele recherchieren und in diesem Weblog berichten.
David Röthler
Frisch gebloggt…. Beteiligungshaushalt in Freiburg im Breisgau: Etwas genauer habe ich mir den Freiburger “Betei… http://bit.ly/ap6ntq
Kulturfinanzierung: wenn die BürgerInnen mitentscheiden « Das Kulturmanagement Blog
[…] nur die Politik, die hier langsam den Hahn zudreht? David Röthler hat Anfang September ein Blogpost veröffentlicht, in dem er sich den Beteiligungshaushalt von Freiburg angesehen hat. Hier wurden […]