Fast zeitgleich sind in Österreich und Deutschland kürzlich Stellungnahmen zum universitären Einsatz von MOOCs erschienen.
– Österreichische Universitätenkonferenz
Kriterien und Leitsätze für eine qualitätsgesicherte Verwendung von MOOCs (Massive Open Online Courses), Juni 2014
– Deutsche Hochschulrektorenkonferenz
Positionspapier zu MOOCs im Kontext der digitalen Lehre
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Die Texte unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der Länge (Österreich 11 zu Deutschland 70 Seiten), sondern auch in ihrer diskursiven Qualität.
Gefallen haben mir die 4 Punkte zu den Nutzungsmöglichkeiten im österreichischen Papier:
- Eigenes Angebot: Die Universität, an der der MOOC verwendet werden soll, bietet diesen auch selbst an.
- Mitnutzung: Der MOOC wird als ergänzendes Lehrmittel einer Lehrveranstaltung eingesetzt, aber von einer anderen Uni angeboten.
- Nutzung durch Studierende: Der MOOC wird von einer anderen postsekundären Bildungseinrichtung angeboten und von den Studierenden dort absolviert. Die eigene Universität entscheidet “nur” über die Anrechenbarkeit des MOOCs.
- Nutzung im Rahmen von Life Long Learning: Der MOOC wird zum informellen Lernen angeboten und ist nicht Teil einer Lehrveranstaltung.
Punkt 4 wird im weiteren Verlauf des Dokuments noch erweitert: “Im Sinne einer Demokratisierung von Bildung und der gesellschaftlichen Verantwortung von Universitäten gegenüber allen Bevölkerungsschichten soll durch das Zurverfügungstellen von „Open Educational Ressources“ ein offener akademischer Wissensaustausch und –transfer sowie eine Öffnung der Universitäten erleichtert werden.”
Während im österreichischen Positionspapier ausführlich auf Kriterien für die Anrechenbarkeit Bezug genommen wird, fehlen Ausführungen zur Internationalisierung von Bildung sowie zur Vernetzung weitgehend. Auch werden die unterschiedlichen Ausprägungen von MOOCs (xMOOC, cMOOC und andere) nicht erwähnt.
Im Positionspapier der deutschen Hochschulrektorenkonferenz fällt die ausführliche Beschreibung der unterschiedlichen MOOC-Typen auf. Es wird auch auf die aufgrund der Offenheit größere Diversität im Gegensatz zu traditionellen Präsenzangeboten eingegangen: “Diversität ist […] eine Chance für Bildung und insbesondere Wissenschaft. Zu den üblichen Dimensionen Kultur, Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Behinderung, Religion und Weltanschauung sind im Hinblick auf MOOCs unterschiedliche Bildungsabschlüsse und Berufserfahrungen von besonderer Relevanz.”
Interessant liest sich auch das Kapitel zur MOOC-Finanzierung. Kooperationen zwischen Universitäten und Unternehmen werden ebenso angesprochen wie Crowdfunding.
Ebenso lesenswert sind die Absätze, die sich dem Hochschulmarketing und der internationalen Sichtbarkeit von Hochschulen widmen: “Aus Sicht des Hochschulmarketings können MOOCs auch profilbildend für bereits bestehende Zielgruppen wirken, weil sie es erlauben, an Substanz und Form akademischer Lehre global zu partizipieren und bei minimaler Verpflichtung für die Teilnehmer ihren Qualitätsanspruch erfahrbar zu machen. Deswegen sind MOOCs für das Hochschulmarketing wichtige Werkzeuge – sowohl für das Ansprechen dieser Adressatengruppen als auch das langfristige Beziehungsmanagement über die gesamte Bildungsbiographie von grundständiger Lehre, post-graduierten Studiengängen, Alumniarbeit und Fundraising, Fort- und Weiterbildungs- angeboten sowie Mentorennetzwerken.”
Der Einsatz von xMOOCs wird anstelle von standardisierten Massen-Lehrveranstaltungen empfohlen. Allerdings verwundert die Frage, ob “die Hochschule wenigstens ein konventionelles paralleles Lehrangebot unterbreiten muss, wenn Studierende sich weigern, an MOOCs teilzunehmen.”
cMOOCs werden als hoch interaktive Veranstaltungen für das fortgeschrittene Studium als geeignet angesehen: “Sie sind dem didaktischen Prinzips des Konstruktivismus und Konnektivismus verpflichtet. Dieses geht davon aus, dass Lernende ihren Lernprozess im Wesentlichen selbst gestalten möchten und können. Als Voraussetzung dazu benötigen Lernende Zugang zu Inhalten und Personen. Entsprechend bieten cMOOCs ihren TeilnehmerInnen Inhaltsmaterialien und fördern den intensiven Austausch.”
Ausführlich wird auf die Internationalisierungs- und Demokratisierungspotenziale von MOOCs eingegangen. Interessant sind in dieser Hinsicht zudem die entwicklungspolitischen Aspekte.
Der Text der deutschen Hochschulrektorenkonferenz bleibt auf mehr als 70 Seiten spannend und gut lesbar. Abgelehnt wird das radikale Eintreten der disruptiven Wirkung im Sinne der von Peter Drucker 1997 formulierten These “From Brick to Click”.
“Thirty years from now the big university campuses will be relics. Universities won’t survive. It’s as large a change as when we first got the printed book.”
“Entsprechend dieser Prophezeiung könnten MOOCs einen maßgeblichen Beitrag zur Auflösung der klassischen „steinernen“ Hochschulen leisten.” Vielmehr wird konstatiert, dass “der menschliche Kontakt den entscheidenden Unterschied” bei den Lernergebnissen ausmache und die traditionellen Hochschulen im Sinne eines Konzeptes “Brick and Click” weiter bestehen würden.
Die Lektüre beider Texte ist sehr zu empfehlen, wobei der Text der deutschen Hochschulrektorenkonferenz zahlreiche Aspekte detailliert diskutiert, die im Positionspapier der österreichischen Universitätenkonferenz keine Erwähnung finden.
Anmerkung: Diesen Beitrag habe ich ebenso auf innovation.virtuelle-ph.at veröffentlicht.
Universitäre Stellungnahmen zu MOOCs aus Österreich und Deutschland | innovation.virtuelle-ph.at
[…] Beitrag habe ich ebenso auf david.roethler.at […]
studiumdigitale
[…] David Röther vergleicht die beiden Positionspapiere miteinander und bemerkt, dass der deutsche differenzierter die Potentiale, Formate und Rahmenbedingungen (Anrechenbarkeiten) behandelt, die der österreichische Beitrag auslässt, zugleich jedoch auch werden dort Aspekte wie die Anrechenbarkeit behandelt. Ausführungen zur Internationalisierung von Bildung sowie zur Vernetzung fehlend dort jedoch weitgehend. […]